Seit den 1970er Jahren gehört der Goldstandard der Vergangenheit an: Der damalige
US-Präsident Richard Nixon erklärte das Bretton-Woods-System für obsolet. Bis dahin war der US-Dollar an Goldreserven gekoppelt und viele andere Währungen an den US-Dollar. Seitdem regieren die sogenannten "Fiat-Währungen", die nicht an ein Edelmetall gebunden sind. Heute ist eine Rückkehr zum Goldstandard kaum denkbar und hat auch nur noch wenige Unterstützer. [1] Der lange und umkämpfte Weg, der zum modernen Geldsystem führte, wird besonders beim Blick in das Amerika des 19. Jahrhunderts deutlich.
Nach dem Unabhängigkeitskrieg stand der US-Kongress vor der Aufgabe, eine nationale Währung zu schaffen. Bislang wurde überwiegend mit spanischen Dollars gehandelt. Zusätzlich wurde basierend auf Gold und Silber eine bimetallische Währung eingeführt.
Die Münzen wurden aufgrund ihres hohen Silbergehalts bald in großen Mengen nach Lateinamerika gebracht und eingeschmolzen. Es resultierte ein großer Geldmangel. [2]
Je nach Region wurden verschiedene Wege gewählt, um einen Geldersatz zu finden.
Händler und Privatpersonen stellten Kreditbriefe und Schecks aus und an manchen Orten wurden „Wampum“ benutzt, das Tauschmittel indigener Stämme im Osten Amerikas aus Perlen, Muscheln und Schnecken. Viele Kolonien gaben eigene Papierwährungen heraus,
die als regionale Zahlungsmittel dienten. Das Zahlungssystem war sehr uneinheitlich und die Werte der verschiedenen Zahlungsmittel schwankten stark. [3] Während des Unabhängigkeitskriegs gab der Kontinentalkongress Papiergeld aus, die Continentals.
Schnell trat jedoch eine große Entwertung der Kontinental-Dollars ein, die sich im bekannten Sprichwort „not worth a Continental“ zeigte. [4] Ursache dafür war mitunter die Verbreitung von Fälschungen durch die Briten, um die Währung zu schwächen.
Abb. 1: 1/3 Dollar, Kontinental-Dollar,
17. Februar 1776, Philadelphia. https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Continental_Currency_One-Third-Dollar_17-Feb-76_obv.jpg#/media/File:Continental_Currency_One-Third-Dollar_17-Feb-76_obv.jpg
In den Folgejahren setzten sich verschiedene Politiker, wie beispielsweise Alexander Hamilton (1755–1804), für die Gründung einer Nationalbank ein. So sollte eine stabile, einheitliche Währung etabliert werden.
Ein zentraler politischer Konflikt dieser Zeit war die Auseinandersetzung zwischen Befürwortern der easy money und den Anhängern der sogenannten sound money, die eine strengere Regulierung von Kreditvergabe und Geldmenge forderten. Privatbanken und Geschäftsleute fürchteten einen zu großen Einfluss einer Zentralbank. Auch Politiker wie Thomas Jefferson (1743–1826), welche eher die Interessen der oftmals verschuldeten Landbevölkerung vertraten, waren einer weniger regulierten Finanzpolitik nicht abgeneigt und machten viele Änderungen, die Hamilton vorgenommen hatte, wieder rückgängig.
Unter Präsident Andrew Jackson (1767–1845) wurde die Bank of the United States (Nationalbank) endgültig zerschlagen und privatisiert. [5] Es begann die Free Banking Era.
Die Anzahl an Banken wuchs rapide. Die Banknoten, die von vertrauenswürdigen Banken ausgegeben wurden, waren frei in Gold- und Silbermünzen umtauschbar und zirkulierten als Papiergeld. Sogenannte wildcat banks [6] im Westen des Landes vergaben ihre Kredite allerdings sehr großzügig, ohne die jeweilige Menge an Gold und Silber hinterlegt zu haben. Der tatsächliche Wert der Banknoten war häufig deutlich niedriger als der Nennwert.
Die Banken waren kurzlebig: Die durchschnittliche Lebensdauer einer Bank betrug nur fünf Jahre. Die Gesetze und Vorschriften waren in jedem Staat unterschiedlich. Auch für Händler wurde das uneinheitliche Geldsystem zum Problem. Es gab mehrere hundert verschiedene Währungen im Land, deren Wert je nach Region stark variierte. [7] Die zahlreichen Pleiten und Fehlspekulationen führten zur Panik von 1857. Die Wirtschaft war überhitzt und die Banken in New York gerieten in Bedrängnis, nachdem die SS Central America während eines Hurricanes sank und somit eine große Goldlieferung ausblieb. Zusätzlich stürzten die Börsenkurse vieler Eisenbahnunternehmen im Westen ab. [8] Die Krise verstärkte das bereits bestehende Misstrauen der Südstaaten gegenüber dem Norden.
Abb. 2: The Sinking of the Central America, J. Childs, 1857, National Maritime Museum, London https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/e/ea/Wreck_of_the_Central_America.jpg?uselang=de-formal
Abb. 3: 5-Dollar Banknote, Catskill Bank, 1828, Catskill, New York, Fälschung. Mit vier Porträts und einem Puma in der Mitte. Die Fälschung wird häufig als „wildcat note“ bezeichnet. Stack´s Bowers Galleries, February 2019 Baltimore Auction, Los-Nr. 14093, 27.02.2019 https://www.acsearch.info/search.html?id=5744972
Bis in die 1860er Jahre war der US-Dollar an Gold und Silber gebunden. Die Bürger konnten ihre Dollars zu einem staatlich festgelegten Kurs in die Edelmetalle umtauschen. Dies änderte sich mit dem Sezessionskrieg von 1861–1865. Der Krieg war eine Folge der tiefen wirtschaftlichen, politischen und sozialen Spaltung zwischen Nord- und Südstaaten, die vor allem in der Frage der Sklaverei zu Tage trat. Als Reaktion auf die Wahl des gemäßigten Sklavereigegners Abraham Lincoln (1809–1865) zum US-Präsidenten traten im Winter 1860/61 die meisten Südstaaten aus der Union aus. Der Krieg begann am 12. April 1861 mit der Beschießung Fort Sumters durch die Konföderierten. [9] Zur Finanzierung des Kriegs sprach sich Lincolns Finanzminister Salmon P. Chase (1808–1873) für die Einführung einer staatlichen Währung aus, die nicht an Gold- und Silber gebunden war. [10] Im März 1863 unterzeichnete Abraham Lincoln den „Legal Tender Act“, zwei Monate nachdem er mit der „Emancipation Proclamation“ die Befreiung der Sklaven beschlossen hatte. Er hob damit die Gold- und Silberbindung des US-Dollars auf. Er erschuf eine sog. "Fiat-Währung", die nicht mehr durch die freie Eintauschbarkeit in Edelmetalle, sondern durch die Glaubwürdigkeit und Stabilität der Regierung gestützt war. Die Rückseiten der Banknoten wurden mit grüner Tinte bedruckt – daher die ihr Name "Greenbacks". Das grüne Papiergeld wurde zum offiziellen Zahlungsmittel. [11]
Abb. 4: 1$ Legal Tender Note, National Banknote Company, 1862/1863. Mit Signaturen von Lucius E. Chittenden (Register of the Treasury) und Francis E. Spinner (Treasurer of the United States) National Numismatic Collection, National Museum of American History https://en.wikipedia.org/wiki/File:US-$1-LT-1862-Fr-16c.jpg#/media/File:US-$1-LT-1862-Fr-16c.jpg
Die "Greenbacks" regten einerseits den Handel an, litten allerdings andererseits unter starker Entwertung. So stellte sich im Anschluss an den Bürgerkrieg die Frage, ob eine Rückkehr zum Bimetallismus oder zu einem reinen Silber- oder Goldstandard geboten ist.
In den Kriegsjahren wurden viele "Greenbacks" herausgegeben, jedoch nur eine begrenzte Menge an Edelmetallen geschürft, mit denen dieses Papiergeld gedeckt werden könnte.
Eine Rückkehr zum Bimetallismus oder die Einführung eines Goldstandards würde daher eine deutliche Reduzierung der Geldmenge erfordern. Eine Verringerung der Geldmenge kann aber zu knappen Krediten, steigenden Zinsen und sinkenden Preisen führen. [12] Konsumenten und Kreditgeber erachteten eine solche Entwicklung als durchaus wünschenswert. Den Schuldnern im Süden hingegen, die den Forderungen von Gläubigern im Norden ausgesetzt waren, missfiel eine derartige Geldpolitik. Sie würden von einer Fortführung der "Greenback-Politik" profitieren. Diese würde auch einen Wiederaufbau des Südens erleichtern. Die „Radicals“ in der Republikanischen Partei waren daher gegen eine Rückkehr zur Geldpolitik vor dem Sezessionskrieg. Sie waren für eine Entschädigung der schwarzen Bevölkerung und für einen schnellen Wiederaufbau der Wirtschaft im Süden. [13] Auch andere politische Bewegungen wie die Greenback Party, die später in der People´s Party aufging, setzten sich für eine staatliche "Fiat-Währung" ein und verknüpften dies mit Forderungen nach einer Einkommenssteuer, Frauenwahlrecht und einem 8-Stunden-Tag.
Abb. 5: Politisches Flugblatt der Greenback Party, 1876 Abgebildet ist ein Modell einer One Dollar Legal Tender Note von 1862 mit satirischem Text. Das Porträt zeigt Peter Cooper, den ersten Präsidentschaftskandidaten der Greenback Party, anstelle von Salmon P. Chase. Darunter befinden sich zahlreiche Erklärungen, wie eine Währung, die nicht an ein Edelmetall gebunden ist, die Wirtschaft belebt und wie Anleihegläubiger das System ausnutzen und umgehen, um Gewinne zu erzielen. Stack´s Bowers Galleries, March 2016 Baltimore Auction, 30.03.2016, Los-Nr. 30374 https://www.acsearch.info/search.html?id=3012808
Den Forderungen der Radicals standen andere Interessen gegenüber. Die Akteure an den Finanzmärkten, die dabei geholfen haben, den Krieg zu finanzieren, wollten ihre Ansprüche nicht entwertet sehen. Auch aus wirtschaftspolitischer Sicht schien es einigen Republikanern sinnvoll, zu einem Edelmetallstandard zurückzukehren. Diese Haltung setzte sich schließlich politisch durch: Die „Resumption“ zum Bimetallismus wurde beschlossene Sache.
Mit dem Coinage Act von 1873 verschärfte sich diese Politik und es wurde ein reiner Goldstandard eingeführt. Die resultierende Deflation führte zu gravierenden Problemen. [14] Der Preisverfall und die hohen Zinsen trieben Schuldner in die Armut. Besonders die Landwirte im Süden waren betroffen. Sie waren nach dem Wiederaufbau häufig hoch verschuldet und konnten nun nicht mehr die Preise für ihre Waren erzielen, die sie für die Tilgung benötigten. Die Arbeitslosigkeit stieg besonders in Produktion und Minenarbeit stark an. Die Verarmung trieb viele Landwirte und Landarbeiter in die Städte.
Die Abschaffung des Bimetallismus ging daher als Crime of ´73 in die Geschichte ein.
Obwohl die Depression der 1870er Jahre große Teile der Bevölkerung in Armut gestürzt hatte, rückte die Regierung nicht von ihrem Kurs ab. Sie führte die restriktive Geldpolitik fort und reduzierte die Anzahl an zirkulierenden "Greenbacks", bis 1879 das Gold-Dollar-Verhältnis der Vorkriegszeit wieder erreicht war. [15]
Die Diskussion um den Goldstandard wurde zum Zankapfel und zur zentralen Frage der Präsidentschaftswahlen 1896. Der Kandidat der Demokraten, William Jennings Bryan (1860–1925), warnte davor, die arbeitende Bevölkerung unter ein „Kreuz aus Gold“ zu zwingen.
Die Rede ging in die Geschichte ein, blieb jedoch erfolglos. Bryan unterlag seinem republikanischen Gegenkandidaten William McKinley (1843–1901) und der Goldstandard blieb bestehen.
Elias Heindl
Anmerkungen
[1] vgl. Nymoen, Ole; Schmitt, Wolfgang M.: Wohlstand für Alle, Ep. 174: Die US-Wahl 1896 und der Goldstandard [Audio-Podcast], 07.12.2022, https://wohlstandfueralle.podigee.io/174-us-wahl-1896 (zul. aufgerufen am 16.03.2023)
[2] vgl. Reese, Jim E.; Fite, Gilbert C.: An Economic History of the United States, 3rd Edition, Boston: Houghton Mifflin Company, 1973, S. 153–155
[3] vgl. Brands, H. W.: Greenback planet: How the dollar conquered the world and threatened civilization as we know it (Discovering America), 1st ed, Austin: University of Texas Press, 2011, S. 1–25
[4] vgl. ebd. S. 4–6
[5] vgl. ebd. S. 4–6
[6] Für die Bezeichnung „wildcat banks“ gibt es mehrere Erklärungsansätze (wikipedia.org/wiki/Wildcat_banking, aufgerufen am 20.03.2023):
Die Banken waren oft in der abgelegenen Wildnis im Westen angesiedelt, um ein Eintauschen der Banknoten zu erschweren
Eine Bank in Michigan druckte Banknoten (die sogenannten „wild cats“), auf denen ein Puma abgebildet war
Im Missouri wurde das Jagen von Raubtieren gefördert, indem gegen den Skalp der Tiere sogenannte „Wildcat Certificates“ ausgestellt wurden, mit denen Steuern bezahlt werden konnten. Diese „Wildcat Certificates“ zirkulierten häufig wie gewöhnliche Banknoten, obwohl sie nicht unmittelbar gegen Gold oder Silber eintauschbar waren.
Auf einer Fälschung einer 5-Dollar-Note der Catskill Bank wurde ein Puma abgebildet. Diese Geldscheine werden als „wildcat note“ bezeichnet.
[7] vgl. Reese/Fite (1973) S. 158–163
[8] vgl. Brands (1973), S. 9
[9] wikipedia.org/wiki/Sezessionskrieg (zul. aufgerufen am 21.03.2023)
[10] vgl. Brands (1973), S. 10-14
[11] vgl. ebd. S. 2-25
[12] vgl. Nymoen/Schmitt (2022)
[13] vgl. ebd.
[14] vgl. ebd.
[15] vgl. Martin, Albro: Economy from Reconstruction to 1914, in: Porter, Glenn (Hrsg.): Encyclopedia of American Economic History, Vol. 1, New York: Carl Scribner´s Sons, 1980, S. 91–110
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