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AutorenbildHans-Ludwig Grabowski

Zeugnisse der Geschichte: Überdruckprovisorium zu 500 Milliarden auf 5000 Mark vom 15. März 1923

Land / Epoche: Deutsches Reich / "Weimarer Republik"

Emittent: Deutsche Reichsbank

Katalogisierung: Gra. DEU-146b / SCWPM GER-124

Nennwert / Währung: 500 Milliarden Mark

Datierung / Gültigkeit: 15. März 1923 / Oktober 1923 bis 5. Juli 1925


Nicht ausgegebene Reichsbanknote zu 5000 Mark vom 15. März 1923, hergestellt in der Reichsdruckerei in Berlin, Vorder- und Rückseite.


Ikonografie:

Überdruckprovisorium auf einer nicht ausgegebenen Reichsbanknote zu 5000 Mark vom 15. März 1923.

Vorderseite: Männliches Porträt nach dem Gemälde "Mann mit Kind" von Barthel Beham aus dem Jahr 1527. Zwei schwarze Reichsbanksiegel. Im Schaufeld links Ornament mit "RBD" für Reichsbankdirektorium und Wertangabe.

Rückseite: Guilloche mit Wertzahl und Straftext im Oval, darüber und darunter "Reichsbanknote / Fünftausend Mark". Wertzahlen in den vier Ecken des Unterdruckmusters.


Herstellung:

Druck: Firmenzeichen G = Carl Flemming & C. T. Wiskott AG, Glogau (Schlesien)

Papier: Links blau eingefärbt, mit Wilcox-Fasereinlagen

Format: 145 mm x 90 mm

Wasserzeichen: Wertzahl "5000" im senkrechten Spiralband


Historischer Kontext:

Bereits am Ende des Ersten Weltkriegs hatte die Mark die Hälfte ihrer Kaufkraft verloren gehabt. Mit dem Versailler Friedensvertrag hatten die Alliierten Deutschland und seinen Verbündeten die Alleinschuld am Ausbruch des Weltkriegs zugewiesen, was ihnen als Grundlage für immense Reparationsforderungen diente. Zwar wurde 1919 noch keine konkrete Summe genannt, doch bis zum 30. April 1921 war ein erster Abschlag in Höhe von 20 Milliarden Goldmark in bar und in Waren zu zahlen. Am 29. Januar 1921 legte schließlich der Oberste Rat der Alliierten im „Pariser Beschluss“ die Gesamthöhe der Wiedergutmachung auf 226 Milliarden Goldmark, zahlbar in 42 Jahresraten fest. Darüber hinaus hatte Deutschland noch 12% des Wertes seiner sämtlichen Ausfuhren an die Alliierten zu leisten. Die letzten Raten zahlte die Bundesrepublik Deutschland übrigens im Oktober 2010.

Der Regierung der jungen "Weimarer Republik" blieb aufgrund dramatischen Devisenmangels nichts anderes übrig als der Versuch, die Reparationsforderungen durch Verhandlungen abzuschwächen, was sich direkt auf den Devisenkurs auswirkte.

Bereits im Juni 1922 hatte Reichskanzler Wirth die Geldzahlungen an die Reparations-kommission mit dem Hinweis auf den Kursverlust der Mark und den inflationären Anstieg der Inlandspreise ausgesetzt. Auch die neue Regierung Cuno blieb bei diesem Kurs und konnte Sachreparationen aufgrund der enormen Belastungen für die deutsche Wirtschaft nur verzögert oder in geringeren Mengen leisten. Die Alliierten des Ersten Weltkriegs, allen voran Frankreich, wollten jedoch keinesfalls auf die geforderten Reparationsleistungen verzichten, zumal damit auch die französischen Kriegsschulden bei den Vereinigten Staaten von Amerika bezahlt werden sollten.

Als am 11. Januar 1923 der französische Ministerpräsident seine Drohung wahr machte und eine französisch-belgische Armee in das Ruhrgebiet einmarschierte, um „produktive Pfänder“ zu nehmen, brach Panikstimmung aus und die deutsche Währung stürzte ab. Der Dollar-Kurs, der am 2. Januar 1923 noch bei 7260 Mark stand, erreichte noch am Tag der Besetzung den Wert von 10.450 Mark und kletterte bis zum 31. Januar auf 49.000 Mark.

Weil die Herstellung und Ausgabe regulärer Reichsbanknoten eine lange Vorlaufzeit in Anspruch nahm, wären die mit Datum vom 15. März 1923 von der Reichsdruckerei hergestellten Noten zu 5000 Mark schon am Tag ihrer Ausgabe praktisch wertlos gewesen. Die Reichsbank verzichtete deshalb auf ihre Ausgabe und lagerte die Bestände ein.


Überdruckprovisorium vom Oktober 1923 zu 500 Milliarden Mark, im Auftrag der Reichsbank hergestellter Firmendruck mit Überdruck des neuen Nennwertes, Vorder- und Rückseite.


Mitte April 1923 gelang es der Reichsbank zwar durch den Einsatz des Goldes, das für die Reparationsleistungen vorgesehen war, den Dollar-Kurs stabil bei 21.000 bis 22.000 Mark zu halten, als der Dollar-Kurs am 14. Juni 1923 aber die 100.000-Mark-Marke überschritten hatte, gab die Reichsbank nach einem letzten Akt der Verzweiflung schließlich Ende Juni 1923 jeden Widerstand auf. Am 30. Juli 1923 wurde der US-Dollar schon mit 1,1 Millionen Mark gehandelt. Nur eine Woche später stand der Wechselkurs am 7. August bei 3,3 Millionen Mark. Die Reichsbank war trotz der Ausgabe immer höherer Werte von Reichsbanknoten nicht mehr in der Lage, mit der Inflation Schritt zu halten. Am 9. Oktober 1923 lag der Dollar-Kurs schon bei 1,12 Milliarden Mark und die deutsche Währung befand sich im freien Fall.

Jetzt ließ die Reichsbank die nicht ausgegebenen 5000-Mark-Scheine provisorisch mit einem neuen Nennwert zu 500 Milliarden Mark überdrucken. Außerdem beauftragte sie die private Druckerei Flemming & Wiskott im schlesischen Glogau mit dem Nachdruck von 5000-Mark-Scheinen mittels angelieferter Original-Druckplatten und mit dem anschließenden Überdruck zu 500 Milliarden Mark, um die Auflage erhöhen zu können. Nur fünf Wochen später kostete der US-Dollar am 14. November 1923 aber schon 1,26 Billionen Mark!

Da die Reichsbank bei dem rasanten Wertverfall der Papiermark nicht mehr in der Lage war, den Bedarf an Zahlungsmitteln zu decken, obwohl in der Hochinflation 1923 insgesamt 133 Druckereien und 30 Papierfabriken in ihrem Auftrag arbeiteten, die zusammen über 10,1 Milliarden Reichsbanknoten im Gesamtwert von 3877 Trillionen Mark herstellten – das entsprach einer Ladung von 1700 Eisenbahnwaggons, gab es in dieser Zeit auch eine wahre Flut von amtlichem und privatem Notgeld.

Ende 1923 versuchte man, die Inflation durch sog. wertbeständiges Notgeld zu bremsen, und mit Einführung der Rentenmark, die auf einem Kurs von 1 Dollar / Rentenmark / Goldmark = 4,2 Billionen Mark basierte, kam schließlich das Ende der Inflation.


Interpretation:

Die von Frankreich an Deutschland zu leistenden Kriegsreparationen nach dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 beliefen sich auf 5 Milliarden Goldmark. Dieses Geld trug nach der Reichsgründung von 1871 nicht unwesentlich zum Aufschwung der deutschen Wirtschaft bei. Die unvergleichlich höheren Forderungen der Alliierten nach dem Ersten Weltkrieg, die auf Verhandlungen basierten, bei denen Deutschland kein Mitspracherecht hatte, und auf einem Vertrag, der nur unter Androhung von Strafmaßnahmen wie der vollständigen Besetzung Deutschlands und der Einbehaltung aller deutschen Kriegsgefangenen und unter Protest der deutschen Seite zum Abschluss kam und deshalb auch von den meisten Deutschen als Diktat und Schmach empfunden wurde, beliefen sich am Ende auf 226 Milliarden Goldmark zuzüglich enormer Warenlieferungen und territoriale Verluste.

Als Deutschland mit der Lieferung von Kohlen in Verzug kam, besetzten französische und belgische Truppen schließlich das Rheinland und das Ruhrgebiet. Unter der Last der Reparationen brach die deutsche Währung zusammen und der ungerechte "Frieden" von Versailles ebnete mit all seinen Folgen den Weg für radikale Strömungen von Links und Rechts und damit auch für die sog. "Machtergreifung" der Nationalsozialisten. In den Wahlkämpfen der "Weimarer Republik" hatten diese sogar das wertlos gewordene Papiergeld der deutschen Inflation genutzt, um es mit Propaganda-Aufdrucken und antisemitischen Parolen zu versehen, mit denen Juden als Gewinner von Krieg und Inflation diffamiert wurden.


Ideen für den Unterricht:

An dieser Stelle wollen wir einige Anregungen und Ideen für die Thematik im Unterricht anbieten. Diese können gern erprobt werden.

Das Thema Inflation ist eingebettet in die Themenkomplex „Gefahren für die Weimarer Republik“.

In den vorhergehenden Stunden sollte das Ende des Ersten Weltkriegs und der Versailler Vertrag abgeschlossen worden sein und der Begriff „Reparationen“ bekannt sein.

Um den Schülern die Geschichte „begreifbar“ zu machen, bietet sich der Einsatz von originalen Banknoten der Inflation an. Mäßig erhaltene Stücke bekommt man schon für Cent-Beträge bei Antiquitäten- oder Münzhändlern sowie auf Flohmärkten.

Im Mittelpunkt der Stunde sollte stehen, ein Gefühl für die Menschen der damaligen Zeit zu entwickeln. Welche Sorgen und Probleme waren an der Tagesordnung? Wie stand es um die Versorgung der Menschen? Welche Folgen hatte die Inflation für das Lebensgefühl und die politische Orientierung der Deutschen zu dieser Zeit?

Die Stunde zur Inflation bietet eine gute Möglichkeit, die spätere Politikverdrossenheit der Bevölkerung und die Hinwendung zu Kunst, Kultur und Musik zu verdeutlichen, die als die „Goldenen Zwanziger“ zu einem eigenen Epochenbegriff wurde.

Man könnte die Stunde mit der unkommentierten Präsentation der originalen und überdruckten Banknote zu 5000 Mark beginnen. Lassen Sie die Schüler Vermutungen äußern.

In Geschichtsbüchern und im Internet findet sich eine Vielzahl von Fotos aus dem Jahr 1923, die Personen mit großen Mengen Geld zeigen. Nutzen Sie hier die Nähe der jungen Menschen zum Medium „Comic“. Die Schüler können die Abbildungen mit Sprechblasen ausstatten und so einen Perspektiv-Wechsel erleben. Ähnliche Ergebnisse lassen sich in einem kurzen szenischen Spiel erreichen. Vorstellbar ist hier ein Gespräch zweier Bürger, die in einer Warteschlange versuchen, ihren Tageslohn in Sachwerte umzusetzen.

Fasziniert sind Schüler immer wieder, wenn sie echte Inflationsnoten anfassen dürfen. Lassen Sie diese Geldscheine auf die Schüler wirken und diese Fragen äußern. Ihnen wird auffallen, dass das Papier häufig recht dünn und oft nur einseitig bedruckt ist. Lassen Sie Ihre Schüler spekulieren. Sie werden sicher selbst darauf kommen, dass bei dem rasanten Wertverfall oft nicht genug Zeit bestand, aufwendig beidseitig zu drucken. Ab einem bestimmten Zeitpunkt der Inflation überstieg auch der Wert der benutzten Farbe den eigentlichen Nennwert der Banknote.

Sofern das möglich ist, bietet sich zur Inflation ein fächerübergreifender Exkurs zur Mathematik an. Lassen Sie ihre Schüler mit den hohen Zahlen jonglieren. Wie viele Nullen hat der Tagesverdienst eines einfachen Arbeiters? Wieviel Geld blieb nach der Währungsreform von einem lebenslang geführten Sparkonto übrig?

Weiterführend kann eine selbstständige Internet-Recherche der Schüler eingebaut werden. Es gibt eine Vielzahl von Zeitzeugen-Berichten und Tagebuchaufzeichnungen aus dem Jahr 1923, die sehr schön die Stimmung der Zeit verdeutlichen. Ein Plakat mit Zeitstrahl des Jahres, kombiniert mit Fotos und Preistabellen der Zeit könnte hier als ein mögliches Ergebnis entstehen.

In diesen Stunden wird ein wichtiger Grundstein für das Verständnis des Scheiterns der ersten deutschen Demokratie 1933 gelegt.


Arbeitsmaterial

Hier finden Sie mehr Arbeitsmaterialien zum Thema (Abbildungen, Arbeitsblatt, PDF)


Hans-Ludwig Grabowski / Timo Kiel


Anmerkung der Redaktion:

Die sehr erfolgreich gestartete Aktion "Geldscheine im Geschichtsunterricht" gab Veranlassung für den Start einer neuen Serie von Fachbeiträgen zu Geldscheinen als "Zeugnissen der Geschichte" inkl. Ideen zu deren möglicher Verwendung in Schulen.

Im Laufe der Zeit soll damit eine ganze Sammlung von Beispielen aus verschiedenen Epochen, zu verschiedenen historischen Ereignissen und zu den verschiedenen Arten von Geldscheinen – von Banknoten und Staatspapiergeld über Kolonial- und Besatzungsausgaben, bis hin zu Not- und Lagergeld – entstehen, mit deren Hilfe Geschichte "begreifbar" gemacht werden kann. Eine Reihe, die aber nicht nur für Lehrer und Schüler von Interesse sein dürfte, sondern auch für alle Sammler, die mehr über Geldscheine in ihren historischen Zusammenhängen erfahren wollen.


Literaturempfehlung:


Hans-Ludwig Grabowski: Die deutschen Banknoten ab 1871

Das Papiergeld der deutschen Notenbanken, Staatspapiergeld, Kolonial- und Besatzungsausgaben, deutsche Nebengebiete und geldscheinähnliche Wertpapiere und Gutscheine


Format: 17 x 24 cm

928 Seiten, komplett farbig bebildert

Hardcover, 22. Auflage 2020/21

ISBN: 978-3-86646-183-3

Preis: 39,90 EUR




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