Die Tätigkeit der Reichskreditkassen in Russland
Am 22. Juni 1941, auf den Tag genau 129 Jahre nach dem Einmarsch der Grande Armée Napoleons in Russland, überfiel die deutsche Wehrmacht mit rund 75 Prozent ihres Feldheeres ohne vorherige Kriegserklärung die Sowjetunion. Dieser Angriff war umfassend vorbereitet. Bereits „am 29. Juli 1940 gab General Jodl dem Wehrmachtsführungsstab den Entschluss des Führers bekannt, die ständige bolschewistische Drohung in diesem Krieg auszuschalten, da dieser Waffengang doch eines Tages unvermeidlich ... [sei].“[1]
Mit Fragen der zukünftigen Währungsordnung beschäftigten sich gleich mehrere Gremien. Am 28. Mai 1941 traten in Berlin unter Vorsitz des Reichswirtschaftsministers und Präsidenten der Reichsbank Walther Funk Vertreter von Reichsbank, Finanz- und Wirtschaftsministerium sowie NSDAP zusammen. Man verständigte sich dahin gehend, in den baltischen Ländern schon bald die Reichsmark einzuführen. In der Ukraine und im Kaukasus dagegen sollte der Rubel beibehalten werden, jedenfalls bis zur Gründung einer ukrainischen bzw. kaukasischen Nationalbank. Bei dem großen Warenmangel und der geringen Kaufkraft der Arbeiter – Monatsverdienst umgerechnet nur ca. 20 bis 30 RM – schien es im Falle der Sowjetunion nicht ratsam, die Reichsmark in Form der Reichskreditkassenscheine auszugeben.
Man befürchtete, dass die Bevölkerung die unausbleibliche Verschlechterung der Lebensbedingungen auf die Einführung der deutschen Währung zurückführen würde, zumal man die Reichsmark mit 10 Rubel rechnen wollte. Ferner befürchtete man, dass die russische Bevölkerung nicht in der Lage sei, die Reichskreditkassenscheine zu verstehen, da ihnen sicherlich die lateinischen Buchstaben fremd seien. Ebenso meinte man den Bedarf an Reichskreditkassenscheinen nicht abschätzen zu können.
Die versammelten Herren rechneten aber damit, dass die sowjetischen Truppen bei ihrem Rückzug einen großen Teil der Geldbestände bei den Banken vernichten oder abtransportieren würden, bevor die Wehrmacht darauf Zugriff nehmen könnte. Vorrangig stellte sich die Aufgabe, genügend Rubelnoten für die eigene Truppe bereitzustellen.
Dr. Max Winkler, Leiter der Treuhandstelle Ost, schlug vor, mit Hilfe der Rotationspresse in Deutschland Neudrucke der Rubelscheine anzufertigen. Dabei käme es auch nicht darauf an, dass das Papier genau dem russischen entspräche, man müsse eben der Bevölkerung beibringen, dass die Russen die Rubelscheine gestohlen hätten, und dass Deutschland in
der Eile und Schnelligkeit für neue Scheine hätte sorgen müssen. Reichsbankdirektor Wilhelm verlangte jedoch, dass auf keinen Fall die Reichsbank bei dem Neudruck der Rubelscheine
in Erscheinung treten dürfe, um sich nicht dem Vorwurf, dass sie Banknoten fälschen würde, auszusetzen.[2]
Abb. 1: Historisches Foto einer Seite mit Musterdrucken der Reichsdruckerei in Berlin, Abt. I. Mustersammlung, mit als "Russische Banknoten" (Buchdruck!) bezeichneten Scheinen der Emissionsbank Kiew in Werten zu 1, 3, und 5 Rubel sowie 1, 3, 5 und 10 Tscherwonzen,
hergestellt 1941 im Auftrag des Reichsfinanzministeriums.
Der Plan des „einfachen“ Nachdrucks von Sowjetrubeln wurde deshalb wohl schon bald verworfen. Vielmehr beabsichtige man nun eine provisorische Emissionsbank in Kiew zu gründen, die Behelfs-Rubelnoten[3] im Wert von 10 Mrd. Rubel in Stücken zu 1 Rubel bis 10 Tscherwonez (= 100 Rubel) ausgeben sollte. Die Reichsdruckerei veranschlagte Druckkosten in Höhe von 12 Millionen RM. Es war beabsichtigt, die Noten durch die Reichskreditkassen an die Truppenteile abzugeben.[4]
Nur wenige Tage später beschäftigte sich auch der Verwaltungsrat der Reichskreditkassen mit den gleichen Fragen.[5] Zunächst ging es darum, einen Wechselkurs für den Rubel festzulegen. Obwohl die letzte amtliche Notierung bei 47 RM für 100 Rubel lag, sprach man sich der Einfachheit halber ebenfalls für einen Wechselkurs von 10 Reichspfennig für den Rubel aus. Dabei merkte man an, dass die deutsche Botschaft in Moskau im Verkehr mit ihren Beamten den Rubel nur mit 8,5 Rpf. bewerten würde.
Nach dem Willen der Sitzungsteilnehmer sollte die Reichskreditkassen-Organisation im okkupierten russischen Gebiet als Hilfsnotenbank tätig und die Reichsmark in Form der Reichskreditkassenscheine als Hilfswährung eingeführt werden. Die vorhandenen Banknotenreserven der Kasse schienen ausreichend. Mit den an die Reichsdruckerei erteilten Druckaufträgen in Höhe von 500 Millionen RM standen kurzfristig Reichskreditkassenscheine im Wert von 4 Mrd. RM zur Verfügung, von denen sich allerdings 500 Millionen RM im Umlauf befanden und weitere 0,7 Mrd. RM als Reserve für die besetzten west- und südosteuropäischen Staaten vorgesehen waren. Von den verbleibenden 2,8 Mrd. RM lagerten 1,5 Mrd. RM bei den 500 Reichsbankanstalten und 0,7 Mrd. RM waren für den geplanten sechswöchigen Feldzug im Osten disponiert. Wenn man im Westen den Umlauf der Kassenscheine einschränkte, ständen weitere 1 – 2 Mrd. RM für den Osten zur Verfügung. Dies entsprach nach dem vorgesehenen Kurs etwa 10 – 20 Mrd. Rubel. Um kein Risiko einzugehen, wurde der Druckauftrag um eine weitere Milliarde Reichsmark erhöht.
Nach einem Aktenvermerk der Hauptverwaltung der Reichskreditkassen vom 19. Juni 1941 sollte die Reichsdruckerei beschleunigt insgesamt 295 Millionen Noten zu 1, 2, 5 und 20 RM liefern.[6]
Nach Einmarsch der Wehrmacht wurden in den besetzten Gebieten sofort Reichskreditkassen errichtet: in Libau, Riga, Reval, Narwa, Dorpat, Pleskau, Schaulen, Kowno (Kauen), Wilna, Dünaburg, Grodno, Bialystok, Minsk, Smolensk, Lemberg, Shitomir, Kischinew (Kischinau), Winniza, Tschernowitz und Nikolajew; ferner waren Kassen in Brest-Litowsk, Gomel, Kriwoi Rog und Krementschug vorgesehen.[7] Die Reichskreditkassenscheine (RKKS) zu 0,50, 1, 2, 5, 20 und 50 Reichsmark sowie die deutschen Münzen zu 1, 2, 5 und 10 Reichspfennig und Rentenpfennig wurden neben dem Rubel zu gesetzlichen Zahlungsmitteln erklärt, dabei wurde die Reichsmark wie vorgesehen zu 10 Rubel gerechnet.[8] Allerdings wurde schon bald angeordnet, die Reichsmünzen aus Buntmetall einzuziehen und nur die in Zink zu verwenden.[9] Anfang 1942 wurden dann auch die entsprechenden russischen 1, 2, 3, 5, 10, 15 und 20-Kopeken-Münzen eingezogen.[10] Die ebenfalls gültigen russischen Silbermünzen waren schon vorher aus dem Zahlungsverkehr verschwunden.
[Beschreibung und Abbildungen der Reichskreditkassenscheine finden sich im 2. Teil der Reihe – Die Notenbank im Ostland.]
Beim Vormarsch fielen der Wehrmacht größere Bestände russischer Zahlungsmittel in die Hände, so meldete die Reichskreditkasse Kowno[11] am 4. Juli 1941 einen Kassenbestand von 6 Millionen Rubel und die Reichskreditkasse Wilna[12] am 6. Juli einen Bestand von 40 Millionen Rubel. Da genügend Rubelnoten erbeutet wurden, erging die Anweisung, sie bei Zahlungen bevorzugt wieder in den Verkehr zurückzugeben.[13] Dies stieß nicht immer auf Gegenliebe. Bei der 17. Armee, die im südlichen Frontabschnitt operierte, lehnte man die Verwendung der Rubelnoten ab, da in Gefangenschaft geratene deutsche Soldaten von den Russen kurzerhand erschossen würden, würde man sie im Besitz von Sowjetrubeln antreffen.
Die Hauptverwaltung hielt daraufhin zunächst weitere Rubelsendungen an die Ostfront zurück.[14] Leider ist über den Ausgang der Angelegenheit nichts bekannt.
Abb. 2: The German Administration in the East 1941 - 1944
Quelle: Karten zur Geschichte Russlands und zur Sowjetunion von Michael Palomino 2006 aus: Sovjet History Atlas; Martin Gilbert 1972
<http://www.geschichteinchronologie.com/Russland-SU-karten/46-SU-1941-1944-NS-gliederung.jpg> (17.02.2023)
Benötigte Güter wurden bei fehlendem Bargeld von den Wehrmachtsdienststellen requiriert. Der „Verkäufer“ erhielt in diesem Fall eine Empfangsbescheinigung, die Auskunft über Art und Wert der gelieferten Güter gab. Diese Requirierungs-Bescheinigungen mussten innerhalb einer Frist von drei Monaten, beginnend mit dem Tag der Ausstellung, zur Einlösung bei der in einem (späteren) Aufruf genannten Stelle zur Zahlung vorgelegt werden.
Im Reichskommissariat Ostland wurden beispielsweise die bis zum 31. August 1941 ausgegebenen Scheine bis zum 31. Oktober 1941 eingelöst.[15] Bei den Empfangsbescheinigungen handelt es sich um einfache, einseitige Drucke auf weißem Papier in der Größe von 135 mm x 210 mm. Der Text ist in deutscher und russischer Sprache angegeben. Jede Bescheinigung trägt eine siebenstellige Kontrollnummer und war von der ausgebenden Einheit entsprechend zu vervollständigen und zu unterschreiben; dabei musste unbedingt die Feldpostnummer der jeweiligen Einheit angegeben werden.
Abb. 3.1: Empfangsbescheinigung (Muster).
Abb- 3.2: Aufruf von Empfangsbescheinigungen.
Abgesehen von den baltischen Gebieten spielte der Geldverkehr im täglichen Leben der Landbevölkerung nur eine geringe Rolle. „Man befürchtete eine Entwertung der neuen Besatzungsrubel (sic!) und zog Sachwerte dem Geld vor. Da Kaufkraft und Warenangebot außerordentlich niedrig waren, vollzog sich ein großer Teil der geschäftlichen Transaktionen in der Form von Tauschhandel.“[16] Deshalb überrascht es nicht, dass nur zwei Notgeldausgaben bekannt wurden. Die deutsche Ortskommandantur genehmigte im Herbst 1941 der Zementfabrik in Port Kunda (Estland) eine Notgeldausgabe, die jedoch später verboten wurde. Es gelangten Kreditscheine zu 1, 3, 5, 10 und 25 Rubel im Gesamtbetrag von 68.426 Rubel in den Umlauf.[17] Ferner gab es eine Notgeldausgabe in der Stadt Alexandrija in der Zentralukraine. Hierbei handelt es sich um vervielfältigte Scheine zu 5, 10, 15, 20 und 50 Kopeken.[18]
Bereits am 17. Juli 1941 bestimmte Hitler in § 1 des Erlasses über die Verwaltung der neu besetzten Ostgebiete[19], dass nach Beendigung der Kampfhandlungen die Verwaltung von den militärischen auf zivile Dienststellen übergehen sollte. Das unter ziviler Verwaltung stehende Gebiet wurde in Reichskommissariate, diese in Generalbezirke und diese wiederum in Kreisgebiete eingeteilt. An der Spitze der Zivilverwaltung stand Reichsminister für die besetzten Ostgebiete Alfred Rosenberg.
Von dieser Regelung wurden zwei Gebiete ausgenommen. Der Bezirk Bialystok wurde bereits am 15. August 1941 als CdZ[20]-Gebiet dem Reich „angegliedert“. Chef der Zivilverwaltung wurde der Gauleiter von Ostpreußen, Erich Koch. Als gesetzliche Zahlungsmittel galten Rubel und Reichskreditkassenscheine.[21]
Mit Verordnung vom 1. November 1941 kamen die innerdeutschen Zahlungsmittel hinzu, die durch Verordnung vom 15. Dezember 1941 am 1. Januar 1942 zum alleinigen gesetzlichen Zahlungsmittel wurden. Zum gleichen Zeitpunkt wurde die deutsche Devisengesetzgebung eingeführt. Rubel und Reichskreditkassenscheine konnten bis zum 15. Februar 1942 umgetauscht werden.[22] Die Reichskreditkassen in Bialystok, Grodno und Lomscha wurden durch die Reichsbank übernommen.
Das ehemalige polnische Ostgalizien um Lemberg wurde am 1. August 1941 als Distrikt Galizien dem Generalgouvernement zugeschlagen. Nach der „Verordnung über die Einführung der Zlotywährung im Distrikt Galizien" vom 25.8.1941 galt dort vom 8. September 1941 an der Zloty als gesetzliches Zahlungsmittel. Die 1- und 2-Kopeken-Stücke blieben als
1 bzw. 2 Groschen gültig. Bis zum November 1941 tauschte die Bank Emisyjny w Polsce Rubel und Kopeken zum Kurs von 5 Rubel für 1 Zloty.[23] Nach Abschluss der Aktion überwies sie ohne Gegenleistung 344 Millionen Rubel an die Reichsbank. Insgesamt wurden auch 6 Millionen Zloty in Noten der Bank Polski für einen möglichen späteren Umtausch hinterlegt, doch scheint es hierzu nicht gekommen zu sein.[24]
Bis zum Ausbruch des Deutsch-Sowjetischen Kriegs hatte die Staatsbank der UdSSR auf Grund interner Weisungen verschiedene Serien von Banknoten sowie Staatskassenscheine nach Rückfluss zur Bank zurückgehalten und nicht wieder in den Verkehr gegeben.
Die Bevölkerung lehnte daher in vielen Fällen die Annahme dieser Scheine ab, da sie meinte, dass sie nicht mehr kursfähig seien.[25] Hierbei handelte es sich um die folgenden Ausgaben: [26]
Banknoten
1 Tscherwonez, Ausgabe 1922
1 Tscherwonez, Ausgabe 1926
2 Tscherwonez, Ausgabe 1928
3 Tscherwonez, Ausgabe 1922
3 Tscherwonez, Ausgabe 1924
3 Tscherwonez, Ausgabe 1932
5 Tscherwonez, Ausgabe 1922
5 Tscherwonez, Ausgabe 1928
10 Tscherwonez, Ausgabe 1922
25 Tscherwonez, Ausgabe 1922 und
Staatskassenscheine
1 Rubel, Ausgabe 1924
1 Rubel, Ausgabe 1928
1 Rubel, Ausgabe 1934
3 Rubel, Ausgabe 1924
3 Rubel, Ausgabe 1925
3 Rubel, Ausgabe 1934
5 Rubel, Ausgabe 1924
5 Rubel, Ausgabe 1925
5 Rubel, Ausgabe 1934.
Im Umlauf waren vorwiegend:
Abb. 4.1/2: Staatskassenschein, 1 Rubel, Ausgabe 1938, Vorder- und Rückseite.
Abb. 5.1/2: Staatskassenschein, 3 Rubel, Ausgabe 1938, Vorder- und Rückseite.
Abb. 6.1/2: Staatskassenschein, 5 Rubel, Ausgabe 1938, Vorder- und Rückseite.
Abb. 7.1/2: Staatsbank der UdSSR, 1 Tscherwonez, Ausgabe 1937, Vorder- und Rückseite.
Abb. 8.1/2: Staatsbank der UdSSR, 3 Tscherwonez, Ausgabe 1937, Vorder- und Rückseite.
Abb. 9.1/2: Staatsbank der UdSSR, 5 Tscherwonez, Ausgabe 1937, Vorder- und Rückseite.
Abb. 10.1/2: Staatsbank der UdSSR, 10 Tscherwonez, Ausgabe 1937, Vorder- und Rückseite.
Obwohl man sich auch weiterhin der Rubel-Geldzeichen im Zahlungsverkehr bediente, nahm der Umlauf an Reichskreditkassenscheinen zu. Ende September 1941 befanden sich 1,3 Mrd. RM und Ende November 1941 bereits 1,5 Mrd. RM im Umlauf. Vor allem der Bedarf an größeren Kassenscheinabschnitte zu 20 RM und 50 RM nahm zu, deren Bestände. 600 Mio. RM bzw. 500 Mio. RM betrugen.[27] Nach einer Kassenbestandsanzeige der Reichskreditkassen vom 31. Januar 1942 betrug der Anteil der 100- und 50-Rubel-Noten 27 % und der 30-Rubel-Noten allein 40 %.[28]
Anfänglich stand der gesamte besetzte Osten unter Wehrmachtsverwaltung, und selbst nach Errichtung der Zivilverwaltung blieben einige Teile Estlands, Weißrusslands und der Ukraine wie auch alle besetzten Gebiete der Russischen Sowjetrepublik inkl. der Krim sowie des nördlichen Kaukasus den ganzen Krieg über unter deutscher Militärverwaltung, teils wegen der ständig wechselnden Frontlinie, teils wegen dauernder Unruhen in diesen Gebieten.
In den Weiten der unter deutscher Militärverwaltung stehenden Gebieten des Ostens behielten die Reichskreditkassen die Aufgabe einer Hilfsnotenbank, während in den Reichskommissariaten Ostland und Ukraine eigene Notenbanken errichtet wurden.
Aber auch hier blieben die Reichskreditkassenscheine gesetzliche Zahlungsmittel.
Im Operationsgebiet der Wehrmacht blieben die Reichskreditkassen weiterhin für die Geldversorgung zuständig. Über ihre Arbeit berichtet die „Deutsche Zeitung im Ostland“ am
1. August 1943: „Die Durchführung der ihnen hiernach obliegenden Aufgabe, die Versorgung der deutschen Truppen und Verwaltungsbehörden mit Zahlungsmitteln sowie die Aufrechterhaltung des Zahlungsverkehrs und der Wirtschaft sicherzustellen, bedienen sich die Reichskreditkassen der ihnen aus dem Zahlungsverkehr zufließenden Rubel und der Reichskreditkassenscheine. … Neben ihrer Wirksamkeit auf dem Gebiet des Barverkehrs, die sich in der Hauptsache auf die Befriedigung des Bargeldbedarfs der deutschen Wehrmacht und der im Wiederaufbau befindlichen Wirtschaftszweige erstreckt, widmen sich die Reichskreditkassen im rückwärtigen Heeresgebiet insbesondere auch der Pflege des bargeldlosen Zahlungsverkehrs. In einigen Gebieten hat sich bereits ein reger Überweisungsverkehr mit den angrenzenden Reichskommissariaten Ostland und Ukraine entwickelt. Von Bedeutung ist ferner die Bereitstellung von Krediten durch die Reichskreditkassen. Die Kredite werden hier vor allem für das Anlaufen und für die Fortführung der Betriebe in Anspruch genommen, die im Interesse der deutschen Kriegswirtschaft arbeiten. Zum großen Teil werden sie für die Erfassung der Waren benötigt und dienen teilweise auch der Ingangsetzung der Kommunalverwaltungen. Das rückwärtige Heeresgebiet stellte ein eigenes Devisengebiet dar. Die Devisenbewirtschaftung wird von den Wirtschaftsdienststellen in einer auf die besonderen Erfordernisse der deutschen Wehrmacht abgestellten, einfachen und elastischen Form durchgeführt.“
Neben der deutschen Wehrmacht statteten die Reichskreditkassen auch Hitlers verbündete "Hilfstruppen" mit Bargeld aus. So versorgte die deutsche Militärverwaltung die ungarische Wehrmacht in Russland mit Reichskreditkassenscheinen. Zu Beginn des Feldzugs rechnete man mit einem ersten Bedarf von 2,5 Mio. RM zum Kurs von 1 RM gleich 1,642 Pengö.[29]
Das finnische Kriegsministerium verpflichtete sich den Geldbedarf der deutschen Truppen in Finnland auf Anforderung des Intendanten beim Militärattaché in Helsinki laufend bereitzustellen. Im Gegenzug sollte die deutsche Wehrmacht im Bedarfsfall die finnischen Truppen in Finnland mit finnischen Zahlungsmittel und auf russischem Gebiet mit Reichskreditkassenscheinen versorgen.[30] Im Juni 1942 wurden die Einsatzgebühren der deutschen Soldaten in Finnland teils in Finnmark, teils in Rubel gezahlt. Dabei galten 100 RM 1.974,33 Finnmark.[31] Der Wehrmachtsintendant in Finnland erhielt im Juni 1943 von den Reichskreditkassen 54,1 Millionen Rubel ausgezahlt.[32]
Die rumänische Armee bekam im Sommer 1942 gemäß des Abkommens zur Ausstattung der Truppen in der UdSSR Reichskreditkassenscheine im Wert von 5 Millionen RM.[33]
Es ist anzunehmen, dass es ähnliche Regelungen auch für die italienischen und slowakischen Verbände gab. Aus Dank für die deutsche Hilfe während des spanischen Bürgerkriegs entsandte Generalissimo Franco die "Blaue Division" nach Russland. Als die ersten Soldaten 1942 nach Spanien zurückkehrten, stellte sich die Frage, wo sie die mitgeführten „deutschen“ Zahlungsmittel wechseln konnten. Die Reichskreditkasse Bordeaux gab zu bedenken, dass die vorgesehene Regelung des Umwechselns in Madrid unzweckmäßig für die Rückkehrer sei, da die meisten Heimatorte zu weit entfernt lägen.[34] Der Festungskommandant in Biarritz regte eine Wechselstube im Bahnhof von Hendaya an.[35] Ob die folgende Aktennotiz mit dieser Angelegenheit in Verbindung steht, ist leider nicht auszumachen. Durch einen Deutschen in Barcelona sollte der Sonderstab HWK wöchentlich über das besetzte Frankreich 300.000 Pesetas zum Kurs von 8 Francs für 1 Peseta erhalten.[36]
Seit Ende 1941 bröckelte der verordnete Rubel-Kurs. Die Bevölkerung versuchte die Rubelscheine abzustoßen. Die Reichskreditkassenscheine wurden in erheblichem Umfang aufgekauft und erzielten Preise von 12 bis 25 Rubel für 1 RM. Der Verwaltungsrat der Reichskreditkassen vermutete, dass die Währungsmissstände planmäßig von Sowjetagenten hinter der deutschen Front gefördert würden, um durch Zerstörung der eigenen Währung die Bevölkerung zu beunruhigen und die Unzufriedenheit in den besetzten Distrikten zu steigern.[37] Trotz Verbot und hoher Strafen beteiligten sich auch deutsche Soldaten an der Währungsspekulation.[38]
In einigen Gebieten stand im Sommer 1942 der Kurs der Reichsmark 1:50 bis 1:80 zum Rubel. Arbeitskräfte konnten nur durch Zahlung mit Reichskreditkassenscheinen angeworben werden. Dadurch ergab sich ein monatlicher Mehrbedarf von 50 Millionen RM.[39]
Nach Mitteilung der Hauptverwaltung der Reichskreditkassen waren durch Einzug des Rubels 2,8 Mrd. Rubel im Gegenwert von 280 Mill. RM im besetzten russischen Gebiet angefallen, und zwar 1,2 Mrd. in der Ukraine, 1 Mrd. im Ostland, 0,3 Mrd. in Galizien, 0,2 Mrd. im Bezirk Bialystok und 0,1 Mrd. Rubel aus der Hand von Urlaubern. Von den letzten Beträgen waren
75 % = 1,2 Mrd. zu Zahlungszwecken über die Truppenkasse zurückgeflossen.[40]
Zu den Aufgaben der Reichskreditkassen als Notenbank gehörte auch die Notenpflege. Anfangs wurden nur Rubelnoten angenommen, die zur Wiederausgabe geeignet waren, also keine Beschädigungen aufwiesen,[41] später verfuhr man analog der Regelung der Staatsbank der UdSSR, d. h. beschädigte Rubelnoten wurden nur umgetauscht, wenn mehr als 3/4 des Scheins und mindestens eine vollständige Kontrollnummer und die Serienbezeichnung vorhanden waren. Ferner musste die Wertbezeichnung (Betrag in Worten) vollständig lesbar sein. Dagegen blieben beschädigte Münzen von der Annahme ausgeschlossen.[42] Diese Regelung wurde auch auf Reichskreditkassenscheine, Behelfszahlungsmittel der Wehrmacht und Karbowanez-Noten ausgedehnt.[43]
Da im Osten keine Notwendigkeit für die Verwendung von Wehrmachts-Behelfsgeld bestand, dürfte sich der Hinweis in der Akte nur auf einen evtl. Umtausch bei den Truppenkassen beziehen.
Besondere Beachtung erforderte das Papiergeld, das bei gefallenen deutschen Soldaten und bei der Umbettung von Kriegsgräbern anfiel. Da die Geldscheine häufig stark durchblutet, durch Feuer angesengt oder in Folge längeren Liegens zersetzt waren, sollten sie aus hygienischen Gründen im Beisein des Wehrmachtsgräberoffiziers verbrannt werden. Hierüber musste ein Protokoll angefertigt werden, das Auskunft über Art, Stücklung, Kontrollnummern usw. enthielt.[44]
Auch den Reichskreditkassen war das Falschgeld-Problem nicht unbekannt. Bei einer festgenommenen russischen „Fallschirmspringeragentengruppe“ wurde ein Posten gefälschter Reichskreditkassenscheine zu 1 RM gefunden. Die fast fehlerlose Ausführung und die Verwendung von natürlichem Wasserzeichenpapier ließen staatliche russische Stellen als Hersteller vermuten.[45] Vielleicht ist hierin der Grund zu suchen, dass die Hauptverwaltung der Reichskreditkassen Ende 1943 im Osten statt der Reichskreditkassenscheine zu 1 RM und 50 Reichspfennig nur noch Rubelnoten zu 10 und 5 Rubel abgab.[46] Ebenso wurden falsche russische 3-Tscherwanez-Noten der Ausgabe von 1937 entdeckt.[47] Zeitungen berichteten bewusst nicht über das Vorkommen des Falschgelds.[48]
Wie auch in anderen besetzten Gebieten kam es auch im Osten zu Verlusten durch Diebstähle. In den Akten der Reichskreditkassen findet sich folgender Vorgang:[49]
In den Abendstunden des 20. Juli 1942 wurde aus einem Auto, das an der Nordseite des Soldatenheims in Gorlowka (Stadt in der Ostukraine) geparkt war, eine schwarz-braune Dienstaktentasche mit 100.000 RM in zwei Originalpaketen neuer Reichskreditkassenscheine zu 50 RM gestohlen. Die Hauptverwaltung setzte für Hinweise auf die Diebe eine Belohnung in Höhe von 500 RM aus. Bei den Scheinen handelte es sich um Noten mit den Kontrollnummern A 3929000 - 3929500, A 3857500 - 3857999, A 3680400 - 3680500,
A 3619500 - 3619999 und A 4161000 – 4161600.
Nach der Kapitulation der 6. Armee in Stalingrad am 2. Februar 1943 begann der unaufhaltbare deutsche Rückzug. Gegen Ende des Jahres behauptete die Wehrmacht nur noch die westliche Ukraine, die Krim, einen beträchtlichen Teil Weißrusslands und das Baltikum. Der größte Teil des von ihr zuvor besetzten Territoriums der UdSSR befand sich wieder in sowjetischer Hand. Im Verlauf des Winters 1943/44 zwang die Rote Armee die deutschen Truppen zum Rückzug von den Zugängen Leningrads sowie aus weiteren ukrainischen Gebieten. Mitte Mai war die Krim vollständig befreit. Anschließend zerschlugen die sowjetischen Truppen im Sommer/Herbst-Feldzug 1944 in großangelegten Offensiven die Hauptkräfte der Heeresgruppen Mitte, Nord- und Südukraine und drangen bis an die Grenzen Polens und Rumäniens vor. Im November 1944 verlief die Ostfront nördlich von Königsberg von Ostpreußen quer durch das Generalgouvernement östlich von Krakau vorbei durch die Slowakei nach Ungarn. Nur in Kurland hielten sich Reste der 16. und 18. Armee der Heeresgruppe Nord (am 26. Januar 1945 umbenannt in Armeegruppe Kurland) bis zur Kapitulation. Die militärischen Ereignisse wirkten sich auch auf den monetären Bereich aus. So durften Reichskreditkassenscheine nicht mehr im Operationsgebiet verwendet werden.[50] Nach einem Erlass des Oberkommandos der Wehrmacht wurden Angehörige des Ostheeres bei Dienst- und Urlaubsreisen nur noch mit Rubel ausgestattet. Diese Regelung sollte auch auf Finnland ausgedehnt werden, da dort der Rubel Behelfszahlungsmittel war.[51]
Uwe Bronnert
Anmerkungen
[1] Alexander Dallin, Deutsche Herrschaft in Rußland 1941 - 1945, Eine Studie über Besatzungspolitik, Düsseldorf 1958, S. 25 f. [2] Vgl. Dokument 1031-PS, in: Trial of the Major War Criminals before the International Military Tribunal, Nuremberg 14.11.1945 - 1.10.1946, Nürnberg 1947, Band XXVI, S. 580-584.
[3] Zur Geschichte der Behelfsrubel siehe Uwe Bronnert, Wo sind die Rosenberg-Rubel?, in: Münzen & Sammeln, Oktober 2013, S. 170 ff.
[4] BA Berlin, R 29/2, Berichte über die Sitzung des Verwaltungsrates der Reichskreditkassen vom 13.8.1941.
[5] BA Berlin, R 29/1, Berichte über die Sitzung des Verwaltungsrates der Reichskreditkassen vom 9.6.1941.
[6] Ebenda.
[7] BA Berlin, R 29/223, TAO 113/41 vom 24.9.1941. [8] BA Berlin, R 29/367, TAO 85/41 vom 26.7.1941. [9] BA Berlin, R 29/223, TAO 97/41 vom 22.8.1941. [10] BA Berlin, R 29/425, TAO 37/42 vom 27.2.1942.
[11] BA Berlin, R 29/110, Schreiben vom 4.7.1941 der RKK Kowno an die Hauptverwaltung. [12] Ebenda, Fernschreiben vom 6.7.1941 der RKK Wilna an die Hauptverwaltung. [13] BA Berlin, R 29/367, TAO 86/41 vom 30.7.1941. [14] BA Berlin, R 29/2, Berichte über Sitzung des Verwaltungsrates der Reichskreditkassen vom 16.10.1941.
[15] Aufruf an die Bevölkerung des Ostlandes zur Einlösung von Empfangsbescheinigungen, Riga am 25. September 1941.
[16] Alexander Dallin, S. 417. [17] Uwe Bronnert, ..., daß die Herstellung eigenen Geldes absolut unstatthaft ist. Die Kreditscheine der Zementfabrik „Port Kunda (Estland), in: Der Geldscheinsammler, April 1995, S. 12 ff. [18] S. Albert Pick und Carl Siemsen, Das Notgeld des II. Weltkrieges – Emergency Money of World War II, München 1979, S. 104, Kat.-Nr. 1 - 5.
[19] Führer-Erlasse 1939 - 1945, zusammengestellt und eingeleitet von Martin Moll, Hamburg 2011, Dokument Nr. 99, S. 186 ff.
[20] CdZ = Chef der Zivilverwaltung. [21] BA Berlin, R 29/223, TAO 126/41 vom 23.10.1941. [22] Verwaltungsbericht der Deutschen Reichsbank für das Jahr 1941, Hauptversammlung am 17. März 1942, S. 11.
[23] Vgl. Wirtschafts-Handbuch, S. 149. Vom 8. bis 15 September wurde das sowjetische Papiergeld und vom 13. Oktober bis 1. November das sowjetische Münzgeld umgetauscht. [24] S. auch Uwe Bronnert, Das Geldwesen im Generalgouvernement Polen 1939 - 1945,
Teil 2: Von der Gründung der Bank Emisyjny w Polsce bis zum Ende des Krieges, in: Münzen & Sammeln, Dezember 2016, S. 123 ff.
[25] BA Berlin, R 29/425, TAO 8/42 vom 19.1.1942. [26] Angaben nach Deutsche Reichsbank (Hrsg.), Union der sozialistischen Sowjetrepubliken, Verzeichnis und kurze Beschreibung der im Umlauf befindlichen Noten und Münzen, Berlin o. J. (Stand Mai 1941).
[27] BA Berlin, R 29/3, Berichte über die Sitzung des Verwaltungsrates der Reichskreditkassen vom 12.12.1941. [28] BA Berlin, R 29/425, TAO 39/42 vom 2.3.1942.
[29] BA Berlin, R 29/367, TAO 84/41 vom 24.7.1941. [30] Ebenda. [31] BA Berlin, R 29/260, zu TAO 81/43 vom 7.6.1943, Veröffentlicht im Heeres-Verordnungsblatt, Teil B, Blatt 6 vom 23.3.1943. [32] BA Berlin, R 29/3, HV an Wehrmachtsintendant in Finnland (10.6.1942) Abgabe von Rubel: 3 Mill. zu 100 Rbl., 5 Mill. zu 50 Rbl., 6 Mill. zu 30 Rbl., 20 Mill. zu 10 Rbl.,
20 Mill. zu 5 Rbl. und 100.000 zu 1 Rbl. [33] BA Berlin, R 29/4, Schreiben des RFM an Verwaltungsrat der Reichskreditkassen vom 31.8.1942. [34] BA Berlin, R 29/3, Schreiben RRK Bordeaux an HV vom 15.4.1942. [35] Ebenda, Schreiben der Festungskommandantur Biarritz an RKK Bordeaux. [36] BA Berlin, R 29/4, Schreiben der HV an Direktor bei der Deutschen Reichsbank vom 10.8.1942. Anm. 20 ffrs = 1 RM.
[37] BA Berlin, R 29/3, Berichte über dieSitzung des Verwaltungsrates der Reichskreditkassen vom 29.1.1942. [38] BA Berlin, R 29/223, TAO 152/41 vom 4.12.1941.
[39] BA Berlin, R 29/4, Berichte über die Sitzung des Verwaltungsrates der Reichskreditkassen vom 20.7.1942. [40] Ebenda, Berichte über die Sitzung des Verwaltungsrates der Reichskreditkassen
vom 31.8.1942.
[41] BA Berlin, R 29/223, TAO 125/41 vom 22.10.1941. [42] Ebenda, R 29/223. TAO 167/41 vom 24.12.1941. [43] BA Berlin, R 29/260, TAO 151/43 vom 17.12.1943.
[44] Ebenda, R 29/260, Anlage 1 zur TAO 11/43 vom 17.8.1943.
[45] BA Berlin, R 29/424, TAO 127/42 vom 7.8.1942. [46] BA Berlin, R 29/260, TAO 139/43 vom 10.11.1943. [47] BA Berlin, R 29/425, TAO 79/42 vom 16.5.1942. [48] BA Berlin, R 29/4, Berichte über die Sitzung des Verwaltungsrates der Reichskreditkassen vom 4.11.1942.
[49] BA Berlin, R 29/424, TAO 124/42 vom 30.07.1942 und TAO 138/42 vom 26.08.1942.
[50] BA Berlin, R 29/260, zu TAO 81/43 vom 7.6.1943, Veröffentlicht im Heeres-Verordnungsblatt, Teil B, Blatt 6 vom 23.3.1943. [51] BA Freiburg - Militärarchiv -, RW 7/v 1711 b, Erlass OKW 59 B 1 Nr. 12811/44 Ag VWn(III a) vom 28.2.1944, genannt im Tätigkeitsbericht der Dienststelle Wehrmachtsintendant in Finnland für die Zeit vom 1.4.1944 bis 30.6.1944, Bl. 226.
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